Traumhaft schöne Energiebündel
Für viele sind sie der Inbegriff eines Show-Hundes, der sich puppengleich im Ausstellungsring präsentiert. „Dumm und schön“ behaupten böse Zungen. „Wesensschwach“ munkeln andere. Alles Unsinn! Langhaar-Collies sind alles andere als vierbeinige Models mit adretter Haarpracht. Sie sprühen vor Energie, toben für ihr Leben gerne mit Artgenossen herum und eignen sich für alle erdenklichen Sparten des Freizeitsports. Fährtenarbeit, Agility oder Hunde-Frisbee? Die langhaarigen Schönheiten sind mit heller Begeisterung dabei.
Es ist sicherlich nicht zuletzt der Serie „Lassie“ zu verdanken, dass Langhaar-Collies zu zweifelhaftem Ruhm gelangten. Die atemberaubenden Abenteuer des übernatürlich intelligenten Filmhundes, der übrigens von mehreren verschiedenen Vierbeinern dargestellt wurde, machten die Rasse in den 60er und 70er Jahren zum Modehund Nummer Eins. Das schadete der einst so leistungsstarken Rasse, deren Ursprung im Umfeld schottischer Schafzüchter und –hirten zu suchen ist. Schon saß der hochintelligente Hund, dessen Einsatzbereiche unglaublich vielseitig sind, auf gepflegten Perser-Teppichen und wurde zur Modeikone erklärt. Gestylt und parfümiert dümpelte die Rasse einem Zuchtziel entgegen, das katastrophale Auswirkungen auf das Wesen des arbeitswilligen Vierbeiners hatte.
Das Ruder rumreißen
Zum Glück sprangen nicht alle Züchter auf den gewinnversprechenden Zug des Modekults Langhaar-Collie auf. Einige blieben ihren alten Grundsätzen treu und züchteten auch weiterhin Hunde, bei denen Gesundheit, Wesensfestigkeit, Leistungsfähigkeit und Schönheit Hand in Hand gehen. Hätte es sie nicht gegeben, wäre eine wunderbare Rasse sicherlich zu Grunde gerichtet worden.
Verantwortungsbewusstsein und der Glaube an eine alte, intelligente Hütehundrasse rissen das Ruder herum. Deshalb kann der Club für Britische Hütehunde e.V., der die Rasse betreut, heute mit Fug und Recht behaupten: „Der Collie ist ein Haus- und Familienhund wie man sich ihn wünscht. Er darf sich zu den treuesten und intelligentesten Hunden zählen. Er verkörpert Schönheit und Eleganz.“
Ein tolles Rudel
Auch die Mülheimerin Dagmar Kocks-Wilde (37) weiß, dass Langhaar-Collies heute wieder all die Vorzüge vereinen, die man von einem Hütehund mit Familienqualitäten erwarten darf. „Ich stelle meine Hunde sehr erfolgreich aus, setze sie aber auch im Hundesport und bei der Fährtenarbeit ein“, erzählt die sympathische Frau, die sich auf die Zucht blue-merle-farbener Collies spezialisiert hat. Auf der Fährte laufen ihre Hunde zu Hochtouren auf. „Das Ganze macht so einen Spaß, dass ich es am Wochenende gar nicht erwarten kann, endlich aufzustehen und mit den Hunden zur Fährtenarbeit zu gehen. Und das, obwohl ich eigentlich auch gerne einmal ausschlafe“, lacht Dagmar Kocks-Wilde.
Es ist ein herrlicher Anblick, ihr fünfköpfiges Collie-Rudel ausgelassen über die große Wiese tollen zu sehen. Die Hunde strecken ihre Körper wie Afghanen auf der Rennbahn, ihr langes Fell wogt wie ein unruhiges Meer aus Haaren, ihr freudiges Bellen zerschneidet die Luft… Sie glauben, der Spuk fände nach absehbarer Zeit ein Ende? Weit gefehlt! Auch nach zwei Stunden anstrengendem Foto-Shooting haben die Langhaar-Collies noch Energie-Reserven. Ein fremder Hund, der neugierig angelaufen kommt, der bunte Drachen am Himmel, – vielleicht auch einfach Lebensfreude – sind Anlass genug, immer wieder in Höchstgeschwindigkeit über den kurz gemähten Rasen zu preschen.
Große Kinderfreunde
Die vierjährige Yana Kocks-Wilde ist ebenfalls mit von der Partie. Da wo die Collies sind, ist die kleine Mülheimein auch und mischt kräftig mit. Die langhaarigen Freunde sind ihr Ein und Alles. Einer davon gehört ihr sogar und die Junior-Handling-Karriere ist bereits in vollem Gange. „Ich bin froh, dass meine Tochter solch einen Spaß mit den Hunden hat“, freut sich die stolze Mutter. Die Kleine wurde im Kindergarten sogar bereits für ihre Naturverbundenheit und schlanke Linie gelobt. Fast-Food- und durch Bewegungsmangel bedingte Dickleibigkeit oder Unbeweglichkeit sind den meisten Kindern aktiver Hundehalter eben fremd und das ist auch gut so.
Die Langhaar-Collies der Mülheimer stellen in puncto Kinderfreundlichkeit keine Ausnahme dar. Die Rasse ist „Zwergen“ überaus zugetan und eignet sich deshalb auch ausgezeichnet für Familien mit Kindern. Die Grundregeln „Kleinkinder nie mit Hunden alleine lassen“ und „Kindern zeigen, wie man mit Hunden umgeht und wie nicht“ gelten natürlich auch beim traumhaft schönen Langhaar Collie.
Spieglein, Spieglein an der Wand
Und wie steht es mit der Fellpflege? Angesicht üppiger Haarmassen könnte sich hier vielleicht recht Arbeitsintensives offenbaren? „Das ist alles halb so schlimm“, versichert Dagmar Kocks-Wilde. Es sei zwar untertrieben zu behaupten, ein Langhaar-Collie bräuchte keine Pflege, aber täglicher Einsatz sei ganz und gar nicht erforderlich, sogar eher schädlich.
„Ich bürste meine Hunde einmal pro Woche gründlich durch und arbeite auch sehr gerne mit Kämmen, die Rollzinken haben. Das Drehen der Zinken verhindert, dass sich der Kamm im Haar verfängt“, verrät die erfahrene Collie-Züchterin. „Zuviel Fellpflege ist von Nachteil, weil man dabei unter Umständen Unterwolle ausreißt. Das geht zu Lasten des Volumens“, erklärt Helga Gumprech, die seit über 50 Jahren Langhaar-Collies hält.
Der Club für Britische Hütehunde e.V. empfiehlt: „Es reicht, wenn man den Langhaar-Collie alle 14 Tage kräftig durchbürstet und darauf achtet, dass er nicht verfilzt, wozu er manchmal hinter den Ohren und an den Läufen neigt.“ Das lange Fell verleite viele Hundehalter dazu, ihr Tier viel zu häufig zu bürsten. Das Ergebnis hiervon: ausgekämmte Collies mit glänzendem Schlichthaar. Die pelzige Unterwolle, die in solchen Fällen ausgebürstet wurde, sei außerdem ein wichtiger Schutz gegen Kälte und Feuchtigkeit und müsse deshalb auf jeden Fall bewahrt werden. Wem bereits der geringe Pflegeaufwand zuviel sei, könne sich besser für einen Kurzhaar-Collie entscheiden. Die gibt es schließlich auch.
Ein Schäfer- und Bauernhund
So vornehm Langhaar-Collies heute wirken mögen, so bodenständig ist ihre Vergangenheit. Die ursprünglich als „Rough Coated Collies“ bezeichneten Schönheiten waren früher Schäfer- und Bauernhunde, deren Arbeitseifer einen legendären Ruf genoss. „Ohne seinen Colley wäre der Schäfer in den schottischen Bergen nicht lebensfähig. 20 Leute wären nötig, um die Arbeit eines einzigen Hundes zu verrichten. Tatsächlich ist der Hund der Brotverdiener der Familie, und dafür ist er für jeden kleinen Bissen dankbar, der für ihn abfällt. Weder Hunger noch Strapazen, noch schlechteste Behandlung lassen ihn von der Seite seines Herrn weichen. Er folgt ihm durch jede Mühsal und Not, ohne zu klagen“, schrieb der kynologisch versierte Autor Youatt im Jahre 1845. Dass Collies einmal zu begehrten Ausstellungshunden avancieren würden, hätte er wohl kaum glauben können.
Die Schau-Karriere
Furore auf Hunde-Ausstellungen machten Collies erstmals 1860 als in Newcastle-on-Tyne erstmals nicht nur Pointer und Setter, sondern auch Hirten- und Schäferhunde zugelassen wurden. Eine Collie-Hündin, die man als „pure scotch bitch“ bezeichnete, gewann den ersten Preis. Wirkliches Aufsehen erregte die Rasse aber erst elf Jahre später, als die Collie-Rüden „Old Mec“ und „Old Cockie“ bei der Birmingham Dog Show um den begehrten Titel kämpften. Die Richter hielten „Old Mec“ für den besseren Collie, während das Publikum „Old Cockie“ favorisierte. „Old Mec“ gewann unter dem Protest der Zuschauer. Sein Ruhm währte jedoch nur ein Jahr. Dann stellte man nämlich „Old Cockie“ erneut – diesmal unter anderem Namen – aus und prompt gewann der Rüde die Ausstellung. Noch heute gilt er als eine der tragenden Säulen der Collie-Zucht.
Königliche Leidenschaft
Abgesehen von „Old Cockie“ gab es weitere Faktoren, die der Popularität des Collies auf die Sprünge halfen: Königin Victoria entpuppte sich als glühende Verehrerin der Rasse und hielt selbst mehrere Collies. „In den königlichen Archiven finden sich Aufzeichnungen aus den Zwingern in Windsor Park. Da wird im Jahre 1844 ein „Bruce“ als „Highland Sheep Dog“ erwähnt. Die Königin hatte ihn von der Gräfin of Summore erhalten. 1846 ist von einem zweiten „Bruce“ die Rede; drei Jahre später sind da ein „Noble“ und ein „Ferry“, letzterer ein Geschenk des Lords Roseberg. 1888 besitzt die Königin wieder einen „Noble“. Sie beschreibt ihn in einem Brief an König Georg V. als sehr schön, sehr ähnlich seinem Großvater, nur kleiner“, so Hans Räber in seiner Enzyklopädie der Rassehunde.
Starke Preise, schwaches Wesen
Von königlicher Begeisterung angespornt, begann der Collie-Markt zu boomen. Anfang des 20. Jahrhunderts zahlte man für manche Rassevertreter schwindelerregende Preise; eine Tatsache, die sich nicht vorteilhaft auf die Zucht auswirkte. Die schönsten Hunde fielen nicht selten durch ein scheues Wesen auf und präsentierten sich schlecht auf Ausstellungen. Der einige Jahrzehnte später folgende Wirbel rund um den Kino- und Fernsehstar „Lassie“ verschärfte diese bedenkliche Entwicklung zusätzlich.
Heute legen seriöse Züchter größten Wert auf Wesensfestigkeit. Eine Kombination aus Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Schönheit gilt als höchstes Zuchtziel. Einseitigkeit hat sich eben noch nie ausgezahlt.
Collies in den USA
Collies sind übrigens nicht nur in Europa ausgesprochen beliebt. Auch in den USA haben sie eine große Anhängerschaft. Schließlich gibt es dort eine interessante Zuchtgeschichte. Nachdem sich die Zucht lange in England konzentrierte und man die steigende Nachfrage jenseits des großen Teiches vom Heimatland aus stillte, machten sich die amerikanischen Collie-Züchter in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts selbständig. Sie waren inzwischen gut genug geworden, um mit ihren Tieren die gewünschten Erfolge zu erzielen. So gut wie die englischen Hunde waren diese Collies jedoch noch lange nicht. Auf Ausstellungen richtete man eine eigene Klasse für amerikanisch gezogene Hunde ein. Sie hätten ansonsten neben der englischen Konkurrenz kläglich versagt. Es gibt einen eigenen Standard für amerikanische Collies, der sich vom englischen jedoch vor allem im Bezug auf die Größe des Hundes unterscheidet. US-Collies dürfen einige Zentimeter größer sein als europäische. Ein weiterer markanter Unterschied ist, dass der amerikanische Standard weiße Collies mit farbigem Kopf zulässt. Auch so genannte Sable Merles, die aus einer Verpaarung von zobel- und merlefarbenen Collies entstehen, sind gern gesehen.
Amerikanische Collies wurden im 20. Jahrhundert kontinuierlich durchgezüchtet, wogegen die europäische Zucht kriegsbedingt zweimal komplett einbrach. Der Wiederaufbau erwies sich als schwierig, letztendlich aber als überaus erfolgreich.
Ein Top-Familienhund
Langhaar-Collies präsentieren sich heute als vielseitige Familienhunde, die sich außerordentlich gut auf Kinder einstellen können. Ihre Verspieltheit und Bewegungsfreude bleiben oft bis ins hohe Alter hinein erhalten und bereiten ihren Besitzern 13 bis 14 Jahre lang Freude. Das Sozialverhalten des Collies könnte gar nicht besser sein und seine leichte Erziehbarkeit gilt sogar als anfängertauglich.
Anpassungsfähig, überaus anhänglich und ausgesprochen familienbezogen erobern Collies die Herzen vieler Menschen. Wer gerne aktiv ist, findet einen energiegeladenen Partner: Hütearbeit, Fährtenarbeit, Agility und Rettungsdienst liegen den langhaarigen Energiebündeln im Blut.
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