Kaltwasserruten, verspannte Rückenmuskeln, Lahmheiten… Mögliche Folgen von Wasserarbeit, gerade bei Junghunden, aber längst nicht nur bei ihnen. Wir sprachen mit drei Tierärzten über den richtigen Umgang mit dem nassen Element, Risiken und Behandlungsmöglichkeiten nach Verletzungen.
Ist es wirklich uncool, einen Hund nach der Wasserarbeit abzutrocknen? Sitzen nur vierbeinige Sensibelchen bei kalter Witterung mit Standheizung im Auto? Ist ein wärmender Hundemantel für einen nassen Jagdhund ein No Go? „Nein“, betont Dr. Esther Schalke, Fachtierärztin für Tierverhalten. Im Gegenteil. „Wer einen leistungsstarken und dauerhaft belastbaren Jagdhund zu schätzen weiß, sollte alles tun, um diese Eigenschaften zu wahren. Und das funktioniert nur, wenn die Gesundheit des Hundes bei der täglichen Arbeit im Fokus steht“, so die Tierärztin und Ausbilderin für Jagdgebrauchshunde weiter. Die Gesundheit bleibt jedoch schnell auf der Strecke, wenn die Wasserarbeit zum Kälteschock wird. Gerade, wenn es sich um Junghunde bis zum Alter von sechs Monaten handelt, die schneller auskühlen. Aber auch erwachsene Hunde leiden oft unter den Folgen unbedachter Wasserarbeit.
Gerade jetzt, im Herbst sollten Hundeführer gut überdenken, welches Vorgehen sinnvoll ist und was sie ihrem Hund zumuten können, damit er später ein Leben lang Freude an der Wasserarbeit hat, ohne dabei Schaden zu nehmen. Angefangen bei der Tiefe des Gewässers, der Dauer der einzelnen Übungssequenzen bis hin zur Wassertemperatur.
Einfach hinein ins kühle Nass? Solange der Hund nicht fest friert, gibt es kein Problem und einmal kräftig Schütteln danach reicht, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen? Fatales Fehldenken. Leistungssportler würden darüber nur mitleidig schmunzeln“, versichert Dr. Esther Schalke. Für erfolgreiche Sportler sei es selbstverständlich, vor körperlicher Belastung ein Warm Up, eine Aufwärmphase, und zum Abschluss ein Cool Down, eine Entspannungsphase einzulegen. Warum? Um Verspannungen der Muskulatur, Muskelfaserrissen und Übersäuerung vorzubeugen. „Es lohnt sich, auch bei der Arbeit mit dem Hund über solche Zusammenhänge nachzudenken“, betont die Fachtierärztin.
Riskant: plötzlicher Temperatursturz
In die Praxis umgesetzt bedeutet das, beim Junghunde-Training abrupte Abkühlung zu vermeiden. Das geht ganz einfach im flachen Wasser, wenn während der ersten Minuten nur die Beine des Hundes nass werden. „Zudem sollte man mit einem sehr jungen Hund keinesfalls während der Wintermonate mit dem Training beginnen“, warnt der Ratinger Tierarzt Dr. med. vet. C. Oliver Schmid. Ansonsten bestehe – abgesehen von Muskelverspannungen bis hin zu Krämpfen – auch die Gefahr einer handfesten Erkältung inklusive schmerzhafter Nierenverkühlung.
Unterschätzt: Halsschmerzen beim Hund
Erkältungen werden oft unterschätzt. Halsschmerzen des Hundes meistens gar nicht bewusst vom Halter wahrgenommen. Was jedoch auffällt, ist die verminderte Leistungsfähigkeit des Jagdpartners, der irgendwie nicht fit wirkt. Und dann steigert sich das Ganze. „Diese Patienten kommen mit dem klassischen Infektions-Komplex der oberen Atemwege zu mir in die Praxis“, berichtet Schmid. Das bedarf der Behandlung und es dauert, bis der Hund wieder voll einsatzfähig ist.
Kaltwasserrute
Auch Hunde mit einer kraftlos herabhängenden, beim Anheben schmerzempfindlichen Rute gehören zu den typischen Wasserarbeits-Patienten in der Tierarztpraxis. Die Muskulatur spielt bei der Kaltwasserrute nicht mehr mit. Nach drei bis vier Tagen ist der Spuk in der Regel vorbei. Der Auslöser? Es gibt zwei Hauptursachen. „Zum einen ist es die für den Hund ungünstige Köperposition beim Schwimmen, die den hinteren Lendenwirbelbereich belastet. Zum anderen die kalte Wassertemperatur, die zusätzlich für Verspannungen der Muskeln sorgt“, erklärt Schmid. Alles zusammen gipfelt unter Umständen in einer Nervenquetschung. Die Schmerzen beim Anheben der Rute mit der Hand kommen durch eine Komprimierung des Rückenmarks zustande“, erklärt der Tierarzt.
Absolute Fitness ist gefragt
Doch nicht nur die ungünstige Körperposition beim Schwimmen, sondern auch die bisweilen akrobatischen Drehbewegungen, die Jagdhunde beim Einsprung ins Wasser zeigen, haben es in sich. „Das kann massive Blockaden im Lendenwirbelsäulenbereich nach sich ziehen“, weiß der österreichische Tierarzt Dr. Robert Stodulka und weist auf einen anderen wichtigen Aspekt hin: ein intaktes Herz-Kreislaufsystem.
„Hunde mit Herzschwäche oder Herzklappenfehler sind absolut nicht für die Wasserarbeit geeignet“, betont der Tierarzt für allgemeine und komplementäre Veterinärmedizin. Schlecht durchblutete Schleimhäute, eine über zwei Sekunden liegende kapillare Füllungszeit (Farbausgleich nach Druckausübung mit der Fingerkuppe auf das Zahnfleisch), Kurzatmigkeit und Appetitlosigkeit können Hinweise auf Herz-Kreislaufprobleme sein. Auch der mit dem Eintauchen ins Wasser verbundene Zwerchfellhochstand und der dadurch erhöhte Lungendruck, setzen einen gesunden, fitten Hund voraus. „Der Auftrieb des Wassers drückt die Eingeweide des Hundes nach oben. So, dass sie gegen das Zwerchfell drücken. Die Lunge kann sich dann nicht mehr voll ausdehnen“, erklärt Stodulka. Hinzu komme die durch die Schwimmposition bedingte Überstreckung des Kopfes, was eine Verengung der zuführenden Atemwege mit sich bringt. All das kompensiert nur ein kerngesunder Hund auf Dauer.
Gesundes Training
Damit nicht genug. „Wasserarbeit ist letztendlich ein Stressfaktor für den Hund. Er will Beute machen und dieser Erregungszustand geht mit einer Zentralisierung des Stoffwechsels einher. Dadurch steigt die Gefahr der Muskelübersäuerung und auch Muskelentzündungen werden wahrscheinlicher“, sagt der Fachtierarzt für Physikalische und Rehabilitationsmedizin aus Wien. Sein Fazit: Junge Jagdhunde müssen deshalb langsam und in ganz kleinen Schritten an die Herausforderungen der Wasserarbeit herangeführt werden. Nur dann entsteht eine gesunde Basis für eine dauerhafte Belastbarkeit. Und eine gute Versorgung des Hundes, nach der Wasserarbeit, ist auch wichtig. Dazu gehört unter anderem das Abtrocknen danach.
Start mit acht Wochen
Für Welpen und Junghunde gilt das natürlich ganz besonders. „Sechs Monate lang passe ich extrem darauf auf, dass es nicht zu einer unnötigen Auskühlung kommt“, versichert Dr. Esther Schalke. Sie rät dazu, möglichst früh mit der Wasserarbeit zu beginnen. Am besten direkt nach der Übernahme des Welpen im Alter von acht Wochen. Und dann stellt sie sich einen Timer. „Länger als drei bis vier Minuten dauern die Übungseinheiten anfangs nicht“, betont sie. Dabei sei es auch nicht wichtig, ob die Übung mit einem Erfolg ende. „Die Menge der guten Wiederholungen ist entscheidend. Nicht der Zeitpunkt des Erfolgs. Hunde merken sich das, was am häufigsten vorkommt. Nicht das, was als Letztes erfahren wurde, wie immer noch viele fälschlicherweise annehmen“, erklärt die Expertin für Lernverhalten.
Individueller Plan
Sie verfolgt bei der Ausbildung zur Wasserarbeit auch kein rigides System, sondern trainiert die jungen Jagdhunde ganz individuell. Extrem wasserfreudige Hunde, die das kühle Nass jedoch eher als Spaßfaktor denn als Arbeitsbereich sehen, bringt sie mit Durchruf-Übungen mehr Ruhe und Konzentration bei. „Ich schicke den Hund über einen Bachlauf, bleibe selbst auf der anderen Seite stehen und rufe ihn zurück“, erklärt sie. Wasserscheue Hunde werden mit dem motiviert, was ihnen am meisten Freude macht: ein Spielzeug, Futter, ein anderer Hund oder mit direktem Besitzerkontakt im Wasser. „Manche Hunde scheuen sich einfach davor, die Schnauze unter Wasser zu bringen. Für sie fülle ich eine Waschschüssel mit Wasser, lasse darin Futter schwimmen und nehme ihnen so die Hemmschwelle. Später übertrage ich das auf ein flaches Gewässer“, beschreibt die Ausbilderin. Flaches Wasser sei anfangs ohnehin sinnvoll, weil viele wasserunerfahrene Hunde verunsichert reagieren, wenn sie plötzlich keinen Boden mehr unter den Pfoten spüren.
Akupunktur und Osteopathie
Doch was gibt es für Möglichkeiten, wenn es doch einmal zu gesundheitlichen Problemen kommt? Wenn der Hund aufgrund einer durch die Wasserarbeit verspannten Rückenmuskulatur den vier Kilogramm schweren Fuchs nur noch mühsam apportiert? Wenn er steif geht, Taktunreinheiten beim Laufen zeigt, länger liegt als gewöhnlich, nur noch langsam aufsteht und womöglich sogar schlechter frisst? „Das sind mögliche Anzeichen einer Überforderung. Ich helfe solchen Hunden gerne mit Akupunktur-Behandlungen und osteopathischen Therapien. Auch die Magnetfeldtherapie bietet hier wirksame Möglichkeiten“, so Dr. Robert Stodulka. Doch ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Hund sei nach wie vor die beste Basis, damit der Sprung ins kalte Wasser ein Leben lang Freude bereitet.
Text und Fotos: Gabriele Metz
Unsere Experten:
Dr. Esther Schalke (45) ist Fachtierärztin für Tierverhalten und war wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Heute leitet sie, gemeinsam mit zwei weiteren Tierärztinnen, Lupologic, ein Zentrum für angewandte Kynologie und klinische Ethologie. Dort bietet sie unter anderem Schulungen für Jagdhunde-, Polizei-, Bundeswehr- und Zollhundeausbilder an. Sie selbst führt einen Labrador Retriever und einen Bloodhound.
Dr. Oliver C. Schmid (54), vielen besser bekannt als DOC SCHMID, absolvierte sein Studium an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, promovierte 1994 zum Thema „Therapeutischer Einsatz von Heilpflanzen unter Berücksichtigung veterinärmedizinischer Aspekte“ und betreibt seit 20 Jahren eine eigene Praxis in Ratingen-Lintorf bei Düsseldorf.
Dr. Robert Stodulka Der Österreicher Dr. Robert Stodulka (43) ist Tierarzt für allgemeine und komplementäre Veterinärmedizin. Außerdem Fachtierarzt für Physikalische- und Rehabilitationsmedizin. Der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige verfügt über zahlreiche Zusatzqualifikationen – unter anderem im Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin – und bekleidet Lehraufträge an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Er führt eine eigene Tierarztpraxis in Wien.
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