Grundlagen des Lernens
Gut erzogene Hunde stehen hoch im Kurs. Vielleicht so hoch wie nie zuvor. Und das ist gut so, denn ein Hund mit Manieren macht erst richtig Spaß. Man kann ihn fast überall hin mitnehmen, ohne negativ aufzufallen. Es hagelt Komplimente und das tut gut. Eine solide Erziehung bedeutet auch weniger Stress, denn wer will schon den lieben langen Tag an seinem Hund herumkorrigieren. Doch um einen Hund erfolgreich zu erziehen, bedarf es einiger Grundkenntnisse. Sein hundetypisches Lernverhalten ist der Schlüssel zum Erfolg. Hinzu kommt ein auf den Hund zugeschnittenes Training, das eine klare Struktur erfordert.
Doch erstmal zum Lernverhalten: Hunde passen ihr Verhalten immer der aktuellen Umweltsituation an. Erweist sich das Verhalten als geeignet, wird es beibehalten. Ist es ungeeignet, stellt es der Hund ein. Was angemessen erscheint und was eher unpassend, hängt beim Familienhund auch stark von der Reaktion seines Besitzers ab. Er beobachtet sogar ganz genau, wie sein Halter oder die Umwelt auf bestimmte Verhaltensweisen reagiert. Und dieser Lernprozess findet ständig statt, nicht nur während des Trainings. Da Hunde generell darauf erpicht sind, möglichst gut durchs Leben zu kommen, passen sie sich durchaus gerne an. Zumindest dann, wenn es dafür einen Leckerbissen oder andere positive Bestärkungen gibt. Ein Zugewinn an Ressourcen beflügelt ihren Gehorsam. Hinzu kommt die Schadensvermeidung. Bloß kein unnötiges Risiko eingehen. Denn das könnte die Überlebenschancen mindern. Soweit die Grundtendenz des Lernverhaltens. Wobei auch die Rasse, die Lebenserfahrung und die aktuelle Lebenssituation eine Rolle spielen, wenn es ums Ausloten lebenswichtiger Faktoren geht.
Doch wie lernen Hunde eigentlich? Zum einen assoziativ. Das heißt, sie verknüpfen Dinge miteinander. Zum anderen nicht assoziativ. Dann bestimmen Sensibilisierung oder Habituation, also Gewöhnung, den Lernprozess. Wobei die Habituation im Welpenalter eine besonders wichtige Funktion einnimmt: Umweltreize, die anfangs neutral besetzt sind, ignoriert der Hund zunehmend, weil er sich an diese Reize gewöhnt. Das Brummen des Staubsaugers gehört dann ebenso zu den ganz normalen Dingen des Alltags wie das Klingeln des Telefons oder ein vorbeidonnernder LKW. Reize, an die sich der Hund durch Habituation gewöhnt, sollten von ihm nicht mit Leckerchen verknüpft werden. Das gilt auch für ganz banale Alltagsbegebenheiten wie die Überquerung eines Gitterostes oder das Überwinden einer Treppe. Das gut gemeinte Leckerchen verhindert in solchen Situationen sogar die Habituation. Tipp: Wenn es sich nicht um einen ausgesprochen ängstlichen Hund handelt, einfach souverän vorgehen. Der Hund wird folgen. Liegt extreme Ängstlichkeit vor, sollte ein Hundetrainer hinzugezogen werden.
Bei der Sensibilisierung verhält es sich genau umgekehrt: Ergebnis dieses Lernens ist eine verstärkte Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Das geschieht vor allem dann, wenn der Hund aufgrund einer Belastung schon in gesteigerter Alarmbereitschaft ist. Ursprünglich diente die Sensibilisierung dem Meistern einer gefährlichen Situation. Heute kann es für einen Hundehalter sehr unangenehm sein, wenn auf diesem Wege beispielsweise eine Geräuschempfindlichkeit entsteht.
Beim assoziativen Lernen verknüpft der Hund zwei Ereignisse, die fast zeitgleich stattfinden. Der russische Physiologe Iwan Pawlow dürfte sich freuen, denn irgendwie dreht sich bei der flächendeckenden Forschung rund ums Lernen vieles um die von ihm Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals eingehend analysierte Konditionierung. Allerdings nicht nur um die klassische Konditionierung, die den Pawlow’schen Hund beim Klang einer Glocke in freudiger Futtererwartung speicheln ließ und die auch die Grundlage des Lernprozesses beim Clicker Training bildet. Es geht ebenfalls um die operante Konditionierung, die sich wiederum gut anhand des Clicker Trainings erklären lässt: Der Einsatz des Clickers dient nämlich der operanten Konditionierung, hinter der sich stets eine Entscheidungsmöglichkeit verbirgt. Der Hund entscheidet, ob er ein bestimmtes Verhalten zeigt oder nicht. Dass er den über die klassische Konditionierung aufgebauten Reiz des Clickers aber automatisch mit einer Belohnung verknüpft, geschieht ohne eine bewusste Entscheidung – wie das Speicheln beim Pawlow’schen Hund.
Hierbei kristallisiert sich Folgendes heraus: Um Lernziele zu erreichen, machen sich erfolgreiche Hundetrainer oft natürliche Bedürfnisse des Hundes zunutze. Futter, Komfort und Gesellschaft heißen die Antriebsfedern, die Hunde schneller lernen lassen. So auch beim Lernprozess, der den Hund das Geräusch des Clickers mit einer Futter- oder Spielbelohnung verknüpfen lässt – einer klassischen Konditionierung. Erfolgt eine operante Konditionierung, zeigt der Hund innerhalb des Trainings ein bestimmtes Verhalten und erhält darauf eine Reaktion aus der Umwelt. Verbucht der Hund das Verhalten aufgrund der Reaktion als Erfolg, wird er es öfter zeigen. Bei einem Misserfolg zeigt er es seltener oder gar nicht mehr. Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung entscheidet sich der Hund bei einer operanten oder instrumentellen Konditionierung von selbst, eine Verhaltensweise zu zeigen. Das ist beispielsweise beim freien Formen der Fall: Dabei wartet der Hundehalter ab, bis der Hund zufällig eine erwünschte Verhaltensweise zeigt und bestärkt diese dann mit dem Clicker und einer Belohnung. Der Ablauf der operanten Konditionierung ist immer gleich:
- Handlung des Hundes
- Reaktion aus der Umwelt
- Konsequenzen für die Zukunft
Bei der Reaktion aus der Umwelt kann es sich auch um eine Strafe handeln. Sie soll unerwünschtes Verhalten reglementieren. Und der Erfolg stellt sich nur beim korrekten Einsatz ein. Eine tiergerechte Erziehung ist hierbei ebenso wichtig wie ein tiergerechter Umgang. Dennoch muss eine Strafe stark genug sein, um eine unerwünschte Handlung zuverlässig zu verhindern und sie sollte schnell genug erfolgen, damit der Hund den Zusammenhang zwischen Fehlverhalten und Strafe auch erkennt. Es nützt nichts, den Hund zu maßregeln, weil beim Heimkommen auffällt, dass er den Teppichboden angeknabbert hat. Strafen wirken nur dann, wenn sie konsequent immer beim Auftreten eines unerwünschtes Verhaltens erfolgen und nicht nach Lust und Laune.
Hunde lernen am besten durch positive Belohnung und negative Strafen. Beides lässt sich gut mit einem antrainierten Lobwort und einem Abbruchsignal verknüpfen. Welche Belohnung letztendlich die wirksamste für einen Hund ist, hängt von seinen individuellen Eigenschaften und auch seiner Rasse ab. Während es bei der Erziehung des Hundes völlig in Ordnung ist, etwas Angenehmes einzustellen – also, beispielsweise kein Leckerchen zu geben, wenn der Hund rebelliert -, sollten positive Strafen, bei denen dem Hund etwas Unangenehmes zugeführt wird, nur von einem Profi eingesetzt werden. Warum? Weil das richtige Maß der positiven Strafe für die meisten Hundehalter schwer einzuschätzen ist. Fehleinschätzungen können dem Hund schaden oder sogar nachhaltig die Beziehung zwischen Hund und Halter belasten. Deshalb sollte man sich stets professionelle Hilfe holen, wenn der Hund Problemverhalten zeigt. Schmerzen sollten Hundehalter ihrem Tier grundsätzlich nie zufügen.
Positive und negative Belohnung und Strafe:
Positive Belohnung: etwas Angenehmes wird zugeführt
Negative Belohnung: etwas Unangenehmes wird weggenommen
Positive Strafe: etwas Unangenehmes wird zugeführt
Negative Strafe: etwas Angenehmes wird weggenommen
Wie lernen Hunde?
Hunde lernen vor allem durch die Verknüpfung von einzelnen Ereignissen (Assoziation). Aber auch durch Gewöhnung (Habituation). Bei der Gewöhnung lernt der Hund, einem bestimmten Reiz keine Beachtung mehr zu schenken. Das Gegenteil hiervon ist die Sensibilisierung. Hierbei wird eine gesteigerte Verhaltensweise durch ein bestimmtes Signal ausgelöst.
Konditionierung
Gibt es bei der Hundeausbildung häufige, regelmäßige Wiederholungen von Assoziationen, findet eine Konditionierung statt. Hierbei verankern sich die Assoziationen fest im Gehirn des Hundes und gehen in sein Langzeitgedächtnis ein. Bestimmte Reaktionen lassen sich durch antrainierte Signale abrufen. Man unterscheidet zwei Formen der Konditionierung >
Die klassische Konditionierung:
Hierbei kommt es zur Verknüpfung von zwei Signalen. Die Assoziation gelingt nur, wenn die beiden Signale fast zeitgleich auftreten.
Die operante bzw. instrumentelle Konditionierung:
Hierbei verknüpft der Hund sein Verhalten mit der Reaktion aus der Umwelt. Der Reiz, der dieses Verhalten später gezielt auslöst, wird über die klassische Konditionierung hinzugelernt.
Motivation
Ob sich ein Hund dazu entschließt, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder nicht, hängt von der Motivation ab, die früher oft als Trieb bezeichnet wurde. Dabei geht es um einen Erregungszustand, der den Hund veranlasst, nach bestimmten Objekten oder Zielen zu streben. Wie stark diese Motivationsfähigkeit ausgeprägt ist, hat sowohl mit der Rasse als auch mit den individuellen Eigenschaften des Hundes zu tun. Dennoch ist Motivationsfähigkeit in jedem Hund vorhanden. Wobei die Stärke der Ausprägung und somit auch die realistische Zielsetzung der Motivations-Förderung variieren. Beute-, Jagd- und Spieltrieb sind Beispiele für Motivationen, die gezielt ausgelöst, gefördert und kontrolliert werden sollten.
Positive Verstärker erhöhen die Motivation und somit die Lernbereitschaft. Und in diesem Bereich führen Leckerchen und Spielzeuge ganz klar die Riege der Motivations-Booster an. Allerdings braucht der Hundehalter hierfür eine schnelle Hand. Das Leckerchen muss spätestens ein bis zwei Sekunden nach dem erwünschten Verhalten ins Hundemaul wandern, ansonsten verfehlt es seine Wirkung. Gelingt der Blitz-Transfer, entfaltet das Leckerchen seine volle und nachhaltige Wirkung. Aus Hundesicht handelt es sich hierbei schließlich um Futter und Nahrung ist nun mal eine Ressource, ohne die er keine Überlebenschance hätte. Somit hat ein Leckerchen einen sehr hohen Stellenwert. Einen weitaus höheren als das Kraulen des Nackenfells. Das ist zwar auch nett und erzieherisch wirksam, aber weitaus unwichtiger fürs nackte Überleben.
Obwohl die Wirksamkeit des Leckerchens aus verhaltensbiologischer Sicht bewiesen ist, rückt der knusprige Happen immer wieder in den Fokus gaumenfeindlicher Kritiker, die im Leckerchen den natürlichen Feind erfolgreichen Lernens sehen. Verwöhnt, erpresserisch, ja brandgefährlich könnten sie Hunde machen – so das Credo der Skeptiker. Stimmt – wenn Leckerchen einfach so, ohne Sinn und Zweck gegeben werden. Oder die Hand des Hundehalters sofort zur Tasche wandert, sobald der Hund bettelt. Das Prinzip des Lernens mit Leckerchen ist simpel: Es gibt nie ein Leckerchen, ohne dass der Hund zuvor eine eingeforderte Verhaltensweise gezeigt hat. So lernt der Hund, dass Erpressen keinen Erfolg bringt und stellt das Verhalten ein.
Wichtig: Da Motivation rassespezifisch unterschiedlich ist, entscheidet der Hund über die beste Form der Belohnung. Nur wenn er sie als solche empfindet, ist sie auch wirksam.
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